Die Regierung hat am Dienstag, 14. Februar 2023 den Vernehmlassungsbericht zur Abänderung der Verfassung, des Gerichtsorganisationsgesetzes und weiterer Gesetze zur Optimierung des Justizwesens verabschiedet. Liechtenstein verfügt über ein funktionierendes Justizwesen. Dessen ungeachtet besteht Potential zur weiteren Optimierung des Systems, um den Bedürfnissen einer modernen und den Verhältnissen Liechtensteins angemessenen Justiz auch in Zukunft zu entsprechen. Mit den von der Regierung vorgeschlagenen Massnahmen sollen die Professionalisierung der Justiz weitergeführt sowie die Effizienz der Gerichte und die Qualität der Rechtsprechung weiter verbessert und langfristig gestärkt werden.
Professionalisierung der Gerichte
Die Gerichtsbarkeit in Zivil- und Strafsachen wird in erster Instanz durch das Landgericht, in zweiter Instanz durch das Obergericht und in dritter und letzter Instanz durch den Obersten Gerichtshof ausgeübt. Für die Gerichtsbarkeit in Verwaltungsrechtssachen ist der Verwaltungsgerichtshof zuständig.
Vor zwei Jahren wurden mit der Schaffung von Gerichtskanzleien und wissenschaftlichen Diensten erste Massnahmen zur Professionalisierung des Staatsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes umgesetzt. Die Regierung beabsichtigt mit der gegenständlichen Vorlage, die Professionalisierung der Gerichte (das heisst, das Richteramt hauptamtlich auszuüben) weiter zu entwickeln und damit eine Verringerung der Anzahl der nebenamtlichen Richterinnen und Richter vorzunehmen. Diese Massnahme entspricht gleichzeitig einer Empfehlung der Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO) gemäss dem Umsetzungsbericht der vierten Evaluationsrunde von GRECO vom 17. Juni 2022.
Straffung von Gerichtsverfahren
Mit der schon vor Jahren erfolgten Anpassung der Verfahrensgesetze im Bereich des Zivil- und Strafrechts (ZPO und StPO) wurden die Rechtsmittelmöglichkeiten an den Obersten Gerichtshof als dritte Instanz beschränkt. Dies führte zu einer erheblich geringeren Auslastung (allein zwischen 2017 und 2021 sanken die Fallzahlen um 55 Prozent) des Obersten Gerichtshofes. Aufgrund dessen soll die dritte Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit gänzlich aufgelassen und mit dem Obergericht, das aufgrund seiner veränderten Funktion künftig als Obergerichtshof bezeichnet wird, nur noch ein einziges Rechtsmittelgericht vorgesehen werden. Die Rechtsmittelmöglichkeiten an den Staatsgerichtshof bleiben davon unberührt.
Die Richterinnen und Richter des Verwaltungsgerichtshofes sind heute ausschliesslich nebenamtlich tätig. Die Professionalisierung des Verwaltungsgerichtshofes in Form eines eigenständigen Gerichtshofes erachtet die Regierung aufgrund der Auslastung und des mit der Professionalisierung verbundenen personellen Aufwands nicht für grössenverträglich. Zweckmässiger erscheint es, anstelle eines eigenständigen Verwaltungsgerichtshofes einen zusätzlichen Senat für Verwaltungsrechtssachen beim neuen Obergerichtshof einzurichten und den Verwaltungsgerichtshof somit in den neuen Obergerichtshof einzugliedern. Damit soll das neue letztinstanzliche Gericht auch als Verwaltungsgerichtshof fungieren.
In erster Instanz bleibt das Landgericht also wie bisher für alle Zivil- und Strafsachen zuständig. Neu soll der Obergerichtshof als jeweils letzte Rechtsmittelinstanz entscheiden, auch in allen Verwaltungsrechtssachen. Im Ergebnis führen all diese Massnahmen zu einer erheblichen Straffung der liechtensteinischen Justizorganisation, zu einer Verkürzung der Zivil- und Strafverfahren, was tiefere Verfahrenskosten und Gebühren und schnellere Rechtssicherheit nach sich zieht, sowie zu einer wesentlichen Verringerung der Anzahl nebenamtlicher Richterinnen und Richter.
Schaffung eines Stiftungs- und Trustgerichts zur Stärkung des Finanzplatzes
Im Hinblick auf die spezifischen Bedürfnisse des liechtensteinischen Finanzplatzes soll beim Landgericht je ein spezialisierter Dreier-Senat für das Stiftungsrecht sowie für das Trustrecht eingeführt werden. Mit diesen neuen Spruchkörpern des Landgerichts wird die fachspezifische Expertise gestärkt.
Anpassungen im Dienstrecht
Neben den strukturellen Optimierungen sollen diverse Anpassungen im Bereich des Dienstrechts der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte vorgenommen werden.
Dazu gehören Teilzeitarbeit sowie eine zeitlich begrenzte Weiterbeschäftigung über das ordentliche Pensionsalter hinaus. Diese Massnahmen sollen einem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenwirken und den Richterberuf attraktiver machen. Zudem soll eine gesetzliche Pflicht zur Weiterbildung eingeführt werden.
Des Weiteren soll die Bestellung als Landrichterin oder Landrichter künftig mit einer Probephase von drei Jahren verknüpft werden, in welcher sie an die hohen, spezifischen Anforderungen der liechtensteinischen Rechtsprechung herangeführt werden. Gleiches soll für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gelten. Dies ist auch in anderen Ländern wie Deutschland oder Luxemburg üblich.
Der Vernehmlassungsbericht kann bei der Regierungskanzlei oder über www.rk.llv.li (Vernehmlassungen) bezogen werden. Die Vernehmlassungsfrist endet am 15. Mai 2023.