Liechtenstein ist am 21. Oktober 2024 dem Internationalen Währungsfonds (IWF) beigetreten. Bereits im Januar 2025 fand die erste sogenannte Art.-IV-Konsultation in Liechtenstein statt. Solche Länderbesuche von IWF-Expertinnen und -experten werden in allen IWF-Mitgliedsländern jährlich durchgeführt und dienen zur Beobachtung und Analyse der konjunkturellen und wirtschaftspolitischen Entwicklungen. Daraus werden wiederum entsprechende Empfehlungen abgeleitet und in die politische Diskussion eingebracht.
Nach zwei intensiven Wochen in Liechtenstein mit Gesprächen mit S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein, der Regierung, der Finanzmarktaufsicht, einer Reihe von Behörden und vielen Verbänden sowie privaten Unternehmen haben die Ökonominnen und Ökonomen des IWF einen ausführlichen Bericht erstellt. Dieser ist ab sofort auf der Website der Regierung einsehbar.
Die IWF-Ökonominnen und -ökonomen stellen der liechtensteinischen Volkswirtschaft insgesamt ein sehr gutes Zeugnis aus. Der stabile Staatshaushalt, die starke internationale Vernetzung insbesondere mit der Schweiz und dem EWR, die hochspezialisierte und exportorientierte Industrie und der erfolgreiche, international ausgerichtete Finanzplatz werden alle besonders positiv hervorgehoben.
Nach einigen von einer schwachen Konjunktur geprägten Jahren prognostiziert der IWF für die nächsten Jahre einen moderaten Aufschwung sowie eine anhaltend tiefe Inflation. Zugleich warnt er vor der aktuell hohen geopolitischen Unsicherheit und den Risiken einer globalen Wirtschaftsschwäche für Liechtensteins exportorientierte Volkswirtschaft. Der solide Staatshaushalt mit hohen Reserven gebe Liechtenstein aber den nötigen Spielraum, um auf solche Entwicklungen reagieren zu können. In diesem Kontext wird auch die makroprudenzielle Politik Liechtensteins positiv bewertet: Das Land verfüge über die nötigen Instrumente, um die Widerstandsfähigkeit des Finanzmarktes zu stärken und Krisen vorzubeugen und wende diese auch an.
Ein vertieft im Bericht behandeltes Thema ist die Situation am Arbeitsmarkt. Einerseits hebt der IWF die tiefe Erwerbslosenquote in Liechtenstein positiv hervor, andererseits weist er aber auch auf die Herausforderung des anhaltenden Arbeitskräftemangels hin. In diesem Zusammenhang empfiehlt der IWF unter anderem weitere Massnahmen in der (Berufs-)Bildung, zur Erhöhung der Erwerbsquoten gerade von Frauen und älteren Personen sowie für den Erhalt der Attraktivität des liechtensteinischen Arbeitsmarktes für Zupendlerinnen und Zupendler. Solche Rahmenbedingungen sowie Investitionen, etwa in den Bereichen Verkehr oder Kinderbetreuung, könnten laut IWF das Produktivitätsniveau in Liechtenstein weiter steigern. Ähnliche Schlussfolgerungen finden sich auch in den aktuellen Arbeiten und Strategien der Regierung zu diesen Themen wieder.
Mittel- und längerfristig weist der IWF auf zunehmende Herausforderungen in Bezug auf die öffentlichen Ausgaben hin. Auch der demografische Wandel, die Sicherung von Pensionen und Sozialversicherungen sowie der Klimawandel tragen hierzu bei. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der IWF eine frühzeitige Diskussion über notwendige Investitionen, damit der heutige hohe Lebensstandard, die soliden Staatsfinanzen und die hohe Produktivität auch für zukünftige Generationen erhalten bleiben. Angesichts dieser Herausforderungen sieht der IWF in Bezug auf die Fiskalpolitik eine hohe Flexibilität als essentiell. Der IWF empfiehlt in diesem Zusammenhang auch generell eine weiterhin frühzeitige und vorausschauende staatliche Finanzplanung.
Den liechtensteinischen Finanzplatz beschreibt der IWF als stabil und erwähnt insbesondere die effektive Aufsicht positiv. Auch die hohe Kapitalisierung und die guten Liquiditätskennzahlen der Banken werden positiv hervorgehoben. Angesichts der internationalen Ausrichtung des Finanzplatzes lobt der IWF die hohe Aufmerksamkeit, die der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung und der Einhaltung von internationalen Sanktionen sowohl von privater als auch von staatlicher Seite entgegengebracht wird. Auch der Bereich der Cybersicherheit, in dem Liechtenstein in den vergangenen Jahren grosse Fortschritte gemacht hat, wird positiv herausgestrichen.
Verbesserungspotential sieht der IWF hingegen im Bereich der makroökonomischen Statis-tiken. Dieses Potential, etwa im Bereich einer zeitnäheren Schätzung des liechtensteini-schen Bruttoinlandsprodukts, wurde bereits während des Beitrittsprozesses mehrfach diskutiert. Die Regierung möchte die makroökonomischen Daten zu Liechtenstein verbessern und damit insbesondere der Bevölkerung und den Entscheidungsträgern im Inland ein zeitnäheres und besseres Verständnis der liechtensteinischen Volkwirtschaft ermöglichen. Entsprechende Arbeiten unter der Leitung des Amts für Statistik haben bereits begonnen.
Die Regierung bedankt sich beim Team des IWF, angeführt durch Missionsleiterin Kazuko Shirono, für die detaillierte Auseinandersetzung mit der liechtensteinischen Volkswirtschaft. Der erste Artikel-IV-Bericht zu Liechtenstein wird als wichtiger Ausgangspunkt und als Standortbestimmung für die weiteren Diskussionen mit den IWF-Vertreterinnen und -vertretern in den nächsten Jahren dienen.